AK Andrologie und sexuelle Funktionsstörungen

Leitlinien zur Abklärung und Therapie der Erektilen Dysfunktion
A. Jungwirth, M. Dunzinger

Anmerkung:

Eine vollständige urologische Untersuchung wird vorausgesetzt, daher wird dieser Punkt nicht mehr gesondert angeführt. Die Laborbefunde wie Lipidstatus, Blutzucker und Leberfunktion sowie allgemeine Untersuchungen wie RR und Puls werden am zweckmäßigsten dem Bericht der jährlichen Vorsorgeuntersuchung (Gesundenuntersuchung) entnommen.

1. ANAMNESE

Umfassende Allgemeinanamnese Erkrankungen, Operationen, Bestrahlungen, Traumen (kl. Becken), neurologische Störungen, psychiatrische Erkrankungen, Diabetes, Lipidstoffwechselstörungen, Nierenfunktionsstörungen, Hypertonie, Myokardinfarkt, Durchblutungsstörungen, Nikotin-, Alkoholabusus, Anabolikaeinnahme.

Medikamente
– Antihypertensiva: Betablocker
– Diuretika: Thiazide, Aldosteronantagonisten (Spironolakton), kaliumsparende Diuretika (Triamteren, Amilorid), Carboanhydrasehemmer (Acetazolamid)
– Psychopharmaka: Serotonin-Reuptake- Hemmer, Trizyklische Antidepressiva (Amitriptylin, Imipramin), MAO-Hemmer, Phenothiazine, Carbamazepin
– Antiandrogene: Cyproteronacetat, LHRH-Agonisten, Östrogene
– Lipidsenker: Fibrate
– Antiepileptika: Phenytoin, Carbamazepin – Parkinsonmittel: L-Dopa
– H2-Blocker: Cimetidin, Ranitidin
– Sonstiges: Allopurinol, Indomethazin, Disulfiram, Phenothiazine (Antiemetika, Antihistaminika)
– Zur Therapieplanung: Nitrate!? Psychische und soziale Anamnese Partnerschaft und Ehe, familiäre und berufliche Belastungen und Ereignisse, emotionelle Befindlichkeit, Erwartungen, Leidensdruck

Sexualanamnese
– Zeitliche Dimension der Störung
– Maximaler Erektionsgrad (E1 bis E5)
– International Index of Erectile
Function IIEF-15
– Vorzeitige Detumeszenz
– Morgendliche und nächtliche Erektionen
– Frequenz des Geschlechtsverkehrs früher/jetzt
– Geschlechtsverkehr noch möglich/ unmöglich
– Libido
– Ursachen aus der Sicht des Patienten
– Ejaculatio praecox
– Erektion bei Masturbation
– Situationsbedingte Störung (Urlaub, Partnerabhängigkeit)
Bei Dyspareunie ev. mit der Partnerin (gyn. Befund)

2. UNTERSUCHUNGEN

Körperliche Untersuchung s. o.
weiters fakultativ: Sonographie von Penis und Skrotum, Dopplersonographie, TRUS Laboruntersuchungen s. o.
Nierenfunktion
Testosteron
Prolaktin
Medikamentöse Diagnostik
– Sildenafil-Test (beginnend mit 50 mg, ev. mit 50 mg wiederholen, dann 100 mg)
– SKAT-Test (intracavernöse Injektion mit Prostaglandin E1 bzw. Phentolamin/ Papaverin oder Mischung), fakultativ kombiniert mit Doppler- bzw. Duplexsonographie
– MUSE-Test (intraurethrale Applikation von Prostaglandin E1 beginnend mit 500 µg)

3. SPEZIELLE DIAGNOSTIK

Anmerkung: Die nun angeführten Untersuchungen zählen zur speziellen Diagnostik und sind nur in speziellen Fällen, bei besonderer Indikation und in speziellen Zentren durchzuführen (z. B. bei jungen Patienten mit pelvinem und perinealem Trauma, vor Implanation einer Prothese, bei gutachterlichen Fragestellungen).
– Doppler-Duplexsonographie: Beurteilung der arteriellen Versorgung des Penis im flakziden Zustand und nach Injektion einer vasoaktiven Substanz durch Flußmessung.
– Rigi-Scan, NEVA: Nächtliche Tumeszenz- und Rigiditätsmessung
– Cavernosometrie und Cavernosographie: Dynamische Infusionscavernosometrie bei Verdacht auf venookklusive Dysfunktion mit Applikation einer vasoaktiven Substanz und Bestimmung des zum Aufrechterhalten der Erektion notwendigen Perfusionsflusses, anschließend radiologische Darstellung der Schwellkörper und des venösen Abstroms.
– Corpus cavernosum-EMG: Messung der elektrischen Aktivität der glatten Muskelzellen der Corpora cavernosa. Bei Patienten mit autonomen Läsionen oder Degeneration der cavernösen Muskelzellen treten spez. Veränderungen des EMG-Musters auf.
– Selektive Pharmakophalloarteriographie: Radiolog. Darstellung der Anatomie der paarigen A. pudenda interna und ihrer Äste, der A. dorsalis penis und der A. profunda penis. Strenge Indikationsstellung: vor Revaskularisierungsoperationen bei Z. n. Trauma oder Shuntoperation. Bei Verdacht auf angeborene Störungen bei primärer ED bei jungen Patienten.

4. THERAPIE DER EREKTILEN DYSFUNKTION

Prinzipien
– Vorstellungen und Akzeptanz des Patienten
– Stufentherapie
Orale Therapie
– Sildenafil: Phosphodiesterase-5-Inhibitor, wirksame Therapie, Verbesserung der Erektion in 50–88 %,
CAVE: Nitrate, Hypotonie, Netzhauterkrankungen
– Apomorphin: Dopaminrezeptor-Agonist, sublinguale Applikation, NW: Übelkeit, Zulassung noch ausständig
– Intracavernöse Therapie (SKAT): Monotherapie oder Kombination von va-soaktiven Substanzen, v. a. PGE1, Phentolamin, Papaverin; hohe Wirksamkeit nachgewiesen, wenig Kontraindikationen, Nachteile: Angst vor der Selbstinjektion, Schwellkörperveränderungen
– Intraurethrale Therapie: MUSE: PGE1 in Pelletsform, zu 65 % wirksam, 500–1000 µg, Nachteile: Preis, Technik Weitere Therapieformen:
– Vakuumpumpe: Erektion durch Vakuumzylinder, Gummiring an der Peniswurzel, gute Wirksamkeit bei sachgerechter Handhabung, kaum Nebenwirkungen. Nachteil: geringe Akzeptanz
– Sexualpsychologische Behandlung: stark motivationsabhängig und zeitaufwendig, ev. auch in Kombination mit anderen Therapieformen.

Operative Therapie
– Arterielle Revaskularisationstherapie:
bei spezieller Indikation als einzige kausale Therapie erfolgreich.
– Prothesenimplantation: bei organischer Impotenz bei „austherapierten“ und älteren Patienten; Prothesentypen: semirigide, hydraulisch (ein- und mehrteilig), gute Erfolgsraten und Akzeptanz, Komplikationen: Erosion, Infektion, technische Fehlfunktion

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