Rationale Abklärung von Inzidentalomen der Nebenniere


Adrenokortikales Karzinom 840Zufällig entdeckte Raumforderungen an den Nebennieren stellen einen häufigen Nebenbefund der Schnittbilddiagnostik dar. Die überwiegende Anzahl dieser Inzidentalome bedarf keiner Therapie. Die Differenzialdiagnose kann allerdings sehr trickreich sein.  Adrenokortikales Karzinom: Kontrastmittelverstärkte Aufnahme (links), geringer Kontrastmittel-Wash-out in der 15min-Spätphase (=suspekt; rechts)

In Autopsiestudien finden sich bei bis zu 8,7 Prozent der Bevölkerung Raumforderungen an den Nebennieren. Die Inzidenz steigt mit zunehmendem Lebensalter deutlich an und zeigt einen Häufungsgipfel zwischen der sechsten und achten Lebensdekade – Frauen scheinen häufiger betroffen zu sein.

Ein Schwerpunktkrankenhaus mit etwa 5.000 Computertomografie-(CT)- und Magnetresonanztomografie-(MRT)-Untersuchungen pro Jahr und Abbildung der entsprechenden Region kommt somit auf bis zu 450 Fälle im Jahr. Glücklicherweise lassen sich z.B. durch frühere Vergleichsaufnahmen und radiologische Kriterien etliche Fälle schon in einer interdisziplinären Besprechung als benigne und/oder nicht abklärungsbedürftige Raumforderungen identifizieren.

In weniger eindeutigen Fällen ist ein differenziertes Vorgehen unbedingt erforderlich, um mit einer hohen Vorhersagekraft jene Tumore zur entlarven, die einer Therapie bedürfen. Insbesondere der Ausschluss einer autonomen Hormonaktivität kann sich als diffiziles Unterfangen herausstellen. Bei zunehmend ökonomischem Druck, der trotz wachsender Verwaltungsapparate auch vermehrt direkt an das ärztliche Personal weitergegeben wird, sind langwierige stationäre Abklärungen heute tabu.

Rationale Abklärungen, vorwiegend ambulant lösbar oder in den niedergelassenen Bereich delegierbar, sind gefragt. Aus ärztlichem Blickwinkel darf dabei naturgemäß kein therapiebedürftiger Patient dem Radar entgehen. Hat man sich das nötige Handwerkszeug zurechtgelegt, sollte ein rationaler und trotzdem sicherer Abklärungsweg von Inzidentalomen der Nebenniere möglich sein. Nichtsdestotrotz wird die „Bepunktung“ aus dem Leistungskatalog – insbesondere bei den überwiegend nicht therapiebedürftigen Ursachen – dem Aufwand bei Weitem nicht gerecht.

Differenzialdiagnosen

Über 80 Prozent der Inzidentalome an den Nebennieren entsprechen hormoninaktiven Adenomen oder anderen benignen Tumoren wie Myelolipomen etc. Unter den restlichen zehn bis 20 Prozent finden sich je nach Ursprung aus der zonalen neuroendokrinen Drüse:

  • Phäochromozytome (Inzidenz: 2,1–8/Million/Jahr, rund 90 Prozent benigne, zehn Prozent maligne)
  • adrenale Cushing-Adenome (als echtes adrenales Cushing- Syndrom – ACTH unabhängig – nur in rund zehn Prozent; zu etwa 85 Prozent als bilaterale Nebennierenhyperplasie als Folge eines ACTH-produzierenden Hypophysenadenoms, gelegentlich auch als paraneoplastisches Syndrom bei endokrin aktiven Tumoren z.B. bei Bronchuskarzinomen)
  • Conn-Adenome (Inzidenz wird zumeist mit etwa ein Prozent aller Hypertoniepatienten angegeben, manche Quellen sprechen jedoch von bis zu 15 Prozent aller Hypertoniker und mehr)
  • adrenokortikale Karzinome (Inzidenz: 0,5–2/Million/ Jahr; Inzidenzgipfel vierte bis fünfte Lebensdekade)
  • Nebennierenmetastasen solider Tumore

Bildgebung

CT und MRT stellen die wichtigsten Parameter in der Dignitätsbeurteilung von Inzidentalomen der Nebenniere dar. Sie sind einander in etwa gleichwertig. Zusatzinformationen durch Durchführung beider Verfahren ergeben sich kaum. Bei korrekter Durchführung einer der beiden Untersuchungen lassen sich etliche Informationen gewinnen und weitere diagnostische Schritte oft vermeiden. Als einfache Mittel können die Größe der Raumforderung, deren (In-)Homogenität sowie die Uni- oder Bilateralität beurteilt werden. Vor allem bei bilateralen Tumoren muss auch an eine Abklärung der Hypophyse gedacht werden.

In Metaanalysen fanden sich in Nebennierenraumforderungen6cm in 25 Prozent maligne Tumore. Somit ergibt sich ab einer Größe von 5–6cm oder bei raschem Wachstum eine primäre Indikation zur Adrenalektomie, welche heute standardmäßig laparoskopisch erfolgt.

Auch Dichte und Kontrastmittelverhalten in CT oder MRT können weitere Indizien liefern. Ein Inzidentalom

Der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) hat in der initialen Diagnostik kaum einen Stellenwert, kommt aber in Einzelfällen gezielt zum Einsatz. Der Metaiodobenzylguanidine-(MIBG)-Scan kann z.B. bei Phäochromozytomen in der Nachsorge oder bei Verdacht auf eine multilokuläre Form durchgeführt werden. Formeln zur Dignitätsbeurteilung für CT, MRT und Fluordesoxyglucose-(FDG)- PET siehe „Kriterien für ein Adenom“.

Hormondiagnostik

Vor der Durchführung muss jeder Patient über etwaige Konsequenzen aufgeklärt werden. Eine Hormonabklärung ist prinzipiell bei jedem Erstbefund sinnvoll. Bei sehr kleinen Inzidentalomen

Häufiger als andere Patienten mit hormonaktiven Nebennierentumoren werden solche mit Phäochromozytomen durch ihre Klinik auffällig. Die oft krisenhaften Blutdruckentgleisungen führen bis hin zu hypertensiven Notfällen mit Hirnblutungen oder Ähnlichem. Sie werden oft durch körperliche Aktivitäten mit Betätigung der Bauchpresse (z.B. Husten) oder durch Medikamente ausgelöst (z.B. im Rahmen einer Narkoseeinleitung).

Aber auch weniger eindrucksvolle Krankheitsfolgen können den Weg zur richtigen Diagnose weisen: So fallen beispielsweise Kopfschmerzen, Schwitzen, Palpitationen, Blässe, Gewichtsverlust, Hyperglykämie, Übelkeit, psychische Beeinträchtigung oder orthostatische Dysregulation in das Bild der autonomen Katecholaminausschüttung.

Mit der Bestimmung der freien Metanephrine und Normetanephrine im Plasma hat sich hier in den letzten Jahren eine neue Screeningmethode etabliert. Werden die vielen Störgrößen beachtet, so wird man mit einer Sensitivität von 99 Prozent und einer Spezifität von 89 Prozent belohnt. Zur Bestätigung kann ein Clonidinhemmtest erfolgen.

Die sehr ungenaue Messung der Homovanillinmandelsäure ist ebenso wie die anfällige direkte Bestimmung von Adrenalin und Noradrenalin aus Blut oder Harn inzwischen als obsolet zu betrachten. Das Phäochromozytom muss vor Eingriffen an der Nebenniere (Punktion, Adrenalektomie) stets ausgeschlossen werden. Bei positivem Ergebnis hat eine periinterventionelle α-Blockade (z.B. Phenoxybenzamin) zu erfolgen.

Conn-Adenom

Im klinischen Bild des primären Hyperaldosteronismus finden sich der schlecht einstellbare arterielle Hypertonus, Kopfschmerz, Müdigkeit, Muskelschwäche bzw. Muskelkrämpfe, Obstipation, Polidipsie und Polyurie. Hypertension mit Hypokaliämie gilt als Warnsignal für einen Hyperaldosteronismus (mit folglicher Suppression der Plasmareninaktivität). Ein frühes Conn-Syndrom geht nicht zwangsläufig mit einer Veränderung der absoluten Aldosteron- oder Reninwerte einher. Eine Veränderung in deren Verhältnis ist jedoch frühzeitig messbar. Zahlreiche Medikamente und Lebensmittel führen außerdem zu falschen Testergebnissen.

Der Aldosteron-/Plasmareninaktivitäts-Quotient gilt als Standard im Screening des Conn-Syndroms. Mit dem Fludrokortison-Suppressionstest (Goldstandard) kann eine Bestätigung bei positivem Screeningtest erfolgen. Je nach individueller Konstitution und Begleitmorbiditäten kann hierzu auch ein Kochsalzbelastungs- oder Captopril-Test herangezogen werden.

Eine Nebennierenvenenkatheterisierung ist in Einzelfällen vor einer Operation erforderlich, um bei sehr kleinen Adenomen oder bilateraler Hyperplasie eine Seitendifferenzierung vornehmen zu können.

Adrenales Cushing-Syndrom

Viel seltener als bei iatrogener Kortisongabe oder ACTH-abhängigen Formen bei einem Hypophysenvorderlappenadenom (Morbus Cushing) oder paraneoplastisch (z.B. kleinzellige Bronchuskarzinome) findet sich die Symptomatik des Hyperkortisolismus durch einen autonom kortisolproduzierenden Nebennierenrindentumor. Typisch sind stammbetonte Adipositas, Striae, Hautatrophie, Wundheilungsstörungen, Akne, Myopathie, diabetogene Stoffwechsellage, Osteoporose, Adynamie, psychische Störungen etc.

Als Standardscreeningverfahren für das Cushing-Syndrom hat sich der niedrig dosierte Dexamethason-Kurztest bewährt. Auch hier müssen einige Störgrößen mit einberechnet werden wie beispielsweise eine Schwangerschaft oder eine hochgradige Adipositas etc. Das subklinische Cushing-Syndrom kann sich allerdings auch der Detektion durch den Kurztest gelegentlich entziehen. Bei unklaren Befunden oder zur Bestätigung sollte aus diesem Grund ein Dexamethason-Langtest erfolgen.

Nebennierenkarzinom

Die Hormonaktivität von Nebennierenkarzinomen wird in der Literatur mit bis zu 60 Prozent angegeben. Wenn dies der Fall ist, dann findet sich vorwiegend ein Kortisolexzess oder eine autonome Sexualhormonbildung. Besteht bildgebend der Verdacht auf einen malignen Tumor, sollten daher zusätzlich die Sexualhormone wie DHEA-s, Androstendion, 17-OHProgesteron und Östradiol bestimmt werden. Bei bilateraler Nebennierenhyperplasie ist an die Bestimmung von ACTH sowie an den Ausschluss eines adrenogenitalen Syndroms – insbesondere bei Kindern – zu denken.

Fazit

Die Abklärung von Inzidentalomen der Nebenniere steht auf drei Säulen. Neben der (meist ohnehin schon vorliegenden) Bildgebung müssen eine fokussierte Anamnese sowie eine klinische Untersuchung hinsichtlich klinischer Zeichen und Symptome einer autonomen Hormonproduktion und eine Hormondiagnostik durchgeführt werden.

Bei bildgebend benigne imponierenden und hormoninaktiven Adenomen empfiehlt sich eine jährliche Wiederholung der Hormondiagnostik über einige Jahre sowie eine einmalige Kontrolle der Bildgebung im Abstand von sechs bis zwölf Monaten im Hinblick auf eine Größenprogredienz.

Es müssen alle erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung von falsch-positiven oder falsch-negativen Ergebnissen ergriffen werden, um Ungereimtheiten und unnötige Wiederholungsuntersuchungen zu vermeiden. Ein Algorithmus zur ambulanten Hormonabklärung bei zufällig entdeckten einseitigen Nierentumoren ist auf der Homepage des Arbeitskreises Urologische Onkologie (AUO) der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie zu finden.

Kriterien, die für das Vorliegen eines Adenoms sprechen

  • CT nativ: HU <10
  • CT mit KM und „Wash-out“ nach 10 bzw. 15 Minuten: – absoluter KM-Wash-out: >60 Prozent – relativer KM-wash-out: >40 Prozent
  • MR: Signalverlust „in opposed phase“ >30 Prozent und niedriges T2-Signal
  • FDG-PET: SUV adrenal/SUV Leber >1,45 (Verdacht auf Malignom)

HU=Hounsfield Units, KM=Kontrastmittel, SUV= Standardized Uptake Value

Quelle: Fassnacht, Journal f. Klin. Endokrinologie u. Stoffwechsel 2010; 3(4):16–20

Dr. Christian Peither
Dr. Christian Peither, FEBU
Abteilung für Urologie und Andrologie,
Landeskrankenhaus Steyr

 

Fotos: Dr. Christian Peither. Privat

© MMA, Clinicum Urologie 3/2013