Die Datenlage über die protektive Rolle der Zirkumzision auf das Risiko einer Infektion mit humanen Papilloma-Viren (HPV) ist nicht eindeutig. Eine österreichische Studie zeigt eine von der Messmethode abhängige Infektionsrate. Dennoch scheint der Übertragungsweg klar zu sein und eine Immunisierung für beide Geschlechter sinnvoll.
HPV ist ein unbehülltes, doppelsträngiges DNA-Virus, das von einer Kapsel umgeben ist. Derzeit sind mehr als 100 verschiedene HPV-Genotypen bekannt. Mehrere Studien zeigen, dass bis zu 70 Prozent der männlichen Partner von Frauen, die unter einer HPV-Erkrankung des Gebärmutterhalses leiden, HPV-assoziierte Läsionen am Penis aufweisen. Das Lebenszeitrisiko für eine HPV-Infektion beträgt bei einem sexuell aktiven Menschen bis zu 70 Prozent.
Generell werden „Low-risk“-Viren (HPV 6, 11, 40, 42, 43, 44, 54, 61, 70, 72, 81 und CP6108) von „High-risk“-Viren (HPV 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59, 68, 73 und 82) unterschieden. Diverse Studien konnten eine erhöhte Inzidenz von Zervix-, Vulva- und Vaginalkarzinomen bei der Frau sowie Anal- und Peniskarzinomen beim Mann nach einer Infektion mit High-risk-HPV nachweisen.
2009 konnte erstmals gezeigt werden, dass eine Zirkumzision protektiv für eine HPV-Infektionen wirkt (Tobian et al., NEJM 2009). Es folgten eine Reihe klinischer Studien, die belegten, dass eine Zirkumzision das Risiko einer HPV-Infektion bei Männern und in der Folge auch bei Frauen signifikant reduziert (reviewed in Wamai et al., Int J AIDS 2012).
Des Weiteren wurde nachgewiesen, dass HPV-DNA in Vorhautexzisaten in 83,3 Prozent bei Knaben zwischen vier und elf Jahren (Verit et al., Urology 2012) bzw. in zwölf Prozent bei Knaben unter 15 Jahren zu finden ist (de Martino et al., Urology 2013).
Allerdings gibt es auch Arbeiten, die keinen Unterschied in der HPV-Inzidenz bei zirkumzidierten im Vergleich zu nicht zirkumzidierten Männern fanden (Van Burskirk, Sex Trans Dis 2011; Pilatz et al., J Eur Acad Derm 2012). Bei letzterer Publikation muss allerdings in Betracht gezogen werden, dass dieser Studie eine – zumindest hypothetisch – HPV-freie Studienpopulation mit kulturell begründeter juveniler Zirkumzision zugrundeliegt.
In einer akademischen Eigenstudie im Zeitraum 2009 bis 2011 untersuchten wir 250 Knaben und Männer im Alter von 0 und 89 Jahren, bei denen aufgrund einer Phimose eine radikale Zirkumzision durchgeführt wurde. Das Ziel dieser Studie war die Identifikation der HPV-Inzidenz des inneren Vorhautblattes von asymptomatischen Knaben und Männern mittels In-situ-Hybridisierung und Real-time- PCR. Weitere beteiligte Studienzentren neben der Universitätsklinik für Urologie in Innsbruck waren die Abteilung für Kinderurologie des KH der Barmherzigen Schwestern in Linz sowie die Abteilung für Urologie des KH der Barmherzigen Schwestern in Ried im Innkreis.
Im ersten Teil der Studie wurde eine In-situ-Hybridisierung durchgeführt, um High-risk- and Low-risk-Virustypen im Epithelmuster durch die mikroskopische Interpretation von episomalen und integrativen Signalen zu erkennen. Interessanterweise zeigte sich eine sehr hohe Inzidenz von sowohl Low-risk- (35–63 Prozent) als auch High-risk-HPV (45–60 Prozent) mit einem klaren Peak im Adoleszentenalter (Klinglmair et al., World J Urol 2012).
Im zweiten Teil dieser Studie mit demselben Patientenkollektiv analysierten wir mittels Real-time-PCR die HPVInzidenz dieser Präparate. Die Inzidenz der mit Low-risk- HPV befallenen Zellen lag nur bei 5,3 Prozent, bei mit High-risk-HPV befallenen Zellen bei vier Prozent.
Eine mögliche Erklärung für die Diskrepanz zwischen diesen beiden analytischen Methoden in unserer Studie besteht darin, dass die Formalinfixierung und Paraffineinbettung zu einer verminderten DNA-Menge führen könnte (Biedermann et al, J Clin Microbiol 2004) oder dass PCRInhibitoren in DNA-Extrakten von Formalinfixierung und Paraffineinbettung mit der HPV-Detektion interagieren könnten (Dabic et al., Arch Med Res 2004).
Bei der In-situ-Hybridisierung hingegen muss mit Artefakten durch Overdigestion gerechnet werden, durch Trocknung könnten Leukozyten ebenfalls angefärbt werden oder sogenannte „fog like artefacts“ und „cloud like artefacts“ entstehen.
Derzeit belegen Studien die Prävalenz von HPV an der Vorhaut, so dass eine Vakzinierung sinnvoll erscheint, um sowohl den betroffenen Mann als auch Sexualpartner zu schützen. Zusammenfassend zeigt unsere Studie diskrepante Unterschiede der HPV-Inzidenz des inneren Vorhautblattes abhängig von der angewandten Messmethode. Epidemiologisch scheint es jedoch keinen Zweifel am Übertragungsweg dieses vor allem für Frauen deletären Virus zu geben. Da eine HPV-Infektion der Zervix eine Geschlechtserkrankung ist, scheinen die Daten zu bestätigen, nicht nur Mädchen, sondern auch Knaben im Sinne einer Herdenimmunisierung einer HPV-Impfung zu unterziehen. Entsprechend dieser Erkenntnisse wird die HPV-Impfung in Zukunft nicht nur im österreichischen Impfplan empfohlen, sondern auch von den Krankenkassen sowohl für Mädchen als auch für Knaben finanziert.
Dr. Isabel Heidegger, Dr. Renate Pichler
Universitätsklinik für Urologie, Innsbruck
Prim. Univ.-Doz. Dr. Josef Oswald
Abteilung für Kinderurologie, KH Barmherzige Schwestern, Linz
© MMA, Clinicum Urologie 4/2013